Warum es sich lohnt, jemanden aus der Arbeitslosigkeit einzustellen

Warst Du schon einmal arbeitslos und auf Deine Bewerbungen gab es keine positiven Reaktionen? Aktuell gelten 2.545.936 Menschen in Deutschland als arbeitslos. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 5,7%.[1]
Nicht nur Chefs fragen sich angesichts dieser Zahlen: Wie kann es gleichzeitig so viele offene Stellen und so viele Arbeitslose geben? Wieso kommen die beiden Seiten nicht zusammen? Die Antwort hat vor allem damit zu tun, dass der deutsche Arbeitsmarkt nicht so gut aufgestellt ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Zwar sind die Erwerbstätigenzahlen historisch hoch und die Arbeitslosenzahlen historisch niedrig. Doch davon profitieren vor allem die oberen und mittleren Schichten.
Die vielfältigen Hintergründe der Erwerbslosigkeit
Neben kurzfristiger Arbeitslosigkeit, die beispielsweise bei einem Jobwechsel oder nach dem Studienabschluss auftreten kann, kann auch eine Erwerbslosigkeit, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, oftmals plausibel begründet sein.
Rund eine Million Menschen gelten als langzeitarbeitslos und haben nahezu keine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Oft gilt deren Status quo als Vermittlungshemmnis Nummer 1. Mit den heutzutage zahlreichen Möglichkeiten an Weiterbildungen, Umschulungen oder Coachings stellt sich die Frage, was genau diese hohe Zahl arbeitsloser Menschen erklärt. Es lässt sich nicht leugnen, dass Langzeitarbeitslose zu den auf dem Arbeitsmarkt diskriminierten Gruppen zählen. Dies ist ähnlich präsent, wie die Benachteiligung von Frauen und Migranten.
Im März 2018 sind laut Statistik der Agentur für Arbeit über 778.158 Arbeitsstellen als gemeldet verzeichnet.[2]
Warum also werden die vielen erwerbslosen Menschen für diese Vakanzen nicht berücksichtigt? „Für Ungelernte oder Niedrigqualifizierte ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt noch immer angespannt, für sie haben sich die Aussichten in den vergangenen Jahren kaum verändert“, sagt Alexander Kubis, Leiter der Stellenerhebung beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Gleichzeitig fehlen in Deutschland bis 2030 drei Millionen Fachkräfte, prognostiziert das Forschungsinstitut Prognos.
Wer einmal in die Arbeitslosigkeit rutscht, kommt immer schwerer wieder heraus. Denn viele Firmen rekrutieren lieber Angestellte von anderen Firmen, als Arbeitslose. „Wir sehen, dass neue Stellen immer häufiger mit Personen besetzt werden, die aus einem anderen Job kommen. Die sogenannten Sockelarbeitslosen haben es schwer, wieder Fuß zu fassen“, sagt Arbeitsmarktökonom Kubis.[3] Immer mehr Langzeitarbeitslose scheitern an „Vermittlungshürden“, wie es im Behördendeutsch heißt. Häufig sind das chronische Krankheiten, Suchtprobleme oder eine fehlende Berufsausbildung.
Hürden, die bei der Einstellung aus der Arbeitslosigkeit überwunden werden müssen
Zahlreiche Faktoren sind dafür verantwortlich, dass Arbeitgeber davor zurückschrecken, aus der Arbeitslosigkeit anzustellen. Grundsätzlich besteht beim Arbeitgeber natürlich die Angst, dass über den Zeitraum der Erwerbslosigkeit verschiedene Fähigkeiten verlernt wurden, aktuelle Technologien und Entwicklungen verpasst oder der Stillstand die Arbeitsleistung beeinträchtigt haben könnte. Jedoch halten sich viele Arbeitslose über Weiterbildungen oder Eigenengagement auf dem Laufenden.
Kein konkreter Aufenthaltsstatus, eine fehlende Arbeitserlaubnis, das Ausscheiden aus dem Beruf im fortgeschrittenen Alter, Kinder, Krankheiten, Behinderungen und anderes mehr, stellen eine kleine Zusammenfassung der Hürden dar, die die Attraktivität eines potentiellen Arbeitnehmern gegenüber Arbeitgebern schmälern. Daneben müssen natürlich auch die jeweiligen Anforderungen an Bildungsgrad, Ausbildung, absolviertem Studium und/oder auch die Berufserfahrung erfüllt werden.
Diese Spaltung des Arbeitsmarkts ist gefährlich, denn sie zementiert auch soziale Schichten: Akademiker und Fachkräfte sind in aller Regel besser ausgebildet und wohlhabender als Hilfsarbeiter, dennoch profitieren vor allem sie von einem brummenden Arbeitsmarkt. Sie sind doppelte Gewinner, schlecht Qualifizierte hingegen doppelte Verlierer.
Vorteile, die eine Einstellung aus der Erwerbslosigkeit mit sich bringt
Trotz dieser Unsicherheiten bietet die Einstellung aus der Erwerbslosigkeit für potenzielle Arbeitgeber einige nicht zu unterschätzende Vorteile.
Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, erwerbslos sind, zeigen ein stärkeres Engagement und verfügen über eine hohe Sozialkompetenz. Bedingt durch die jahrelange Arbeit und die Lebenserfahrung bringen beispielsweise Arbeitslose der Generation 50+ ein großes Netzwerk mit und oftmals auch die Erfahrung und Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.[4] Auch die Angst vor einer erneuten Phase des Stillstands in Form von Arbeitslosigkeit begründet diese ausgeprägte Motivation. Gerade Arbeitslose, die aufgrund ihres Alters keine neue Stelle finden, aber zuvor viele Jahre aktiv waren, haben oftmals einen wertvollen Erfahrungsschatz vorzuweisen. Brauchen Arbeitgeber in Zeiten schnelllebiger Branchen, Trainees und Langzeitpraktika nicht auch Mitarbeiter, die über Ruhe und Erfahrung verfügen und diese an Nachwuchskräfte weitergeben können?
Eine gezielte Förderung, vor allem der Generation 50+, bzw. eine individuelle Förderung der einzelnen Mitarbeiter, ist von Nöten. Eine erfolgreiche Eingliederung funktioniert hier vor allem über Einzelcoachings und die Aufstellung altersgemischter Teams.
Staatliche Förderung bei Einstellung aus der Erwerbslosigkeit
Weiterhin werden Arbeitgeber durch verschiedene Möglichkeiten auch von staatlicher Seite unterstützt. Der Eingliederungszuschuss der Arbeitsförderung ist in den §§ 88–92 SGB III zusammengefasst. Der Zuschuss bei Einstellung von Langzeitarbeitslosen bestimmt sich nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende in §16e SGB II. Der Eingliederungszuschuss kann bis zu 50 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts und die Förderdauer bis zu zwölf Monate betragen. Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, kann die Förderdauer bis zu 36 Monate betragen, wenn die Förderung bis zum 31. Dezember 2019 begonnen hat.[5]
In allen Fällen wird vorausgesetzt, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet und dadurch die Arbeitslosigkeit des Arbeitnehmers beendet wird. Grundsätzlich bedeutet das, dass ein Arbeitgeber staatliche Subventionen erhält, wenn er Langzeitarbeitslose einstellt. Adressaten sind hier Arbeitslose mit geringerer Qualifikation, gesundheitlichen Einschränkungen, Berufsrückkehrer und ältere Menschen. Ebenfalls gefördert wird die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen durch das Programm zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit.[6] Ziel dessen ist, arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose, die ohne verwertbaren Berufsabschluss (mindestens 35 Jahre alt und seit über 2 Jahren arbeitslos) sind, einzugliedern.
To put it all in a nutshell…
Grundsätzlich lässt sich also zusammenfassen, dass Arbeitslosigkeit nicht zwingend bedeutet, dass Menschen das Know-How verloren haben oder nicht leistungsfähig sind.
Auch als Quereinsteiger, nach einer Weiterbildungsmaßnahme oder einer Auszeit, stellen die meisten Menschen einen Mehrwert für das Unternehmen dar. Die staatliche Förderung und die Besetzung offener Stellen sollten für Arbeitgeber Anreiz genug sein, Menschen auch aus der Arbeitslosigkeit zu rekrutieren.
[1] Statista: Arbeitslosenquote in Deutschland von März 2017 bis März 2018, in: (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1239/umfrage/aktuelle-arbeitslosenquote-in-deutschland-monatsdurchschnittswerte, letzter Zugriff: 12.04.2018).
[2] Bundesagentur für Arbeit, Statistik, in: (https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/201803/iiia4/gem-stellen/gem-stellen-d-0-201803-pdf.pdf, letzter Zugriff: 13.04.2018).
[3] Götz, Sören; Koschnitzke, Lukas: Wer einmal abrutscht, ist verloren, in: (http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-08/arbeitslosigkeit-arbeitsmarkt-qualifikation-langzeitarbeitslose/komplettansicht, letzter Zugriff: 12.04.2018).
[4] Siemann, Christiane: Ältere Menschen: Besonderheiten und Stärken der Generation 50Plus, in: (https://www.jobware.de/Karriere/Aeltere-Mitarbeiter-Besonderheiten-und-Staerken-der-Generation-50Plus.html, letzter Zugriff: 12.04.2018)
[5] Drittes Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung- sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, in: (https://dejure.org/gesetze/SGB_III/89.html, letzter Zugriff: 13.03.2018).
[6] Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Programm zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit, in: (http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Modellprogramme/esf-programm-abbau-langzeitarbeitslosigkeit.html, letzter Zugriff 12.04.2018).